Terrassen, Olivenhaine, traditionelle Trockensteinbauten sowie ein ausgeklügeltes System zum Sammeln und Verteilen von Wasser prägen die Landschaft der Serra de Tramuntana, den die UNESCO 2011 zum Weltkulturerbe erklärte.
Mensch und Natur im Einklang – so erlebten wir den im Nordwesten Mallorcas gelegenen max. 1445 m hohen Gebirgszug, dessen Bewohner als Land- und Viehwirte über Jahrhunderte in Harmonie lebten und arbeiteten.
Zahlreiche Wanderwege durchziehen diese mediterrane Kulturlandschaft. Auf ca. 160 km führt der Fernwanderweg GR 221, auch als „Trockenmauerweg“ bekannt, von Port d`Andratx nach Pollenca.
Wir landeten im November 2017 in Palma, nahmen den öffentlichen Bus nach Pollenca und wanderten in entgegengesetzter Richtung der Reisebeschreibung von Norden in Richtung Süden. Unser Ziel war es, in 6 Tagen so weit wie möglich auf dem GR 221 Richtung Flughafen zu kommen.
Auf der 1. Hütte erwartete man uns bereits. Die Rucksäcke waren nicht allzu schwer, denn für Kost und Logis wäre gesorgt gewesen, aber dazu später. Unsere 6 Etappen betrugen zwischen 25 und 10 km und waren sehr abwechslungsreich. Die Refuges verströmten den traditionellen Charme, waren liebevoll bewirtschaftet und entsprechend den Tagesetappen gut gestreut.
In der Geschichte der Region kam es zum Zusammentreffen zweier großer Kulturen und ihrer Fertigkeiten. Brachte die muslimische Kultur ab dem 9. Jahrhundert das Bewässerungssystem hervor, konnten die Christen nach dem 12. Jahrhundert (aufgrund der Rückeroberung) ihr Wissen in die Gestaltung der Landwirtschaft einbringen.
Das Erbe dieser sinnvollen Ergänzung begegnete uns täglich. Der Trockensteinbau als Handwerk bediente sich der natürlichen Ressourcen im Gebirge. Auf diese Weise wurden Wege befestigt, Bäche kanalisiert, Grundstücksmauern errichtet. Erstaunlich gut blieben die Befestigungen im mittleren Teil der Tour erhalten. Das trifft ebenso auf die Terrassenbeete zu, mit denen es gelang, tiefere und stabilere Böden zu gewinnen. Als Begrenzung dient eine Trockensteinmauer. Im südlichen Bereich des Gebirges gab es eine Strecke, welche nicht oder nur sehr spärlich markiert war. Dort mussten wir sogar unsere Wander-App zu Hilfe nehmen. Meistens zeigten uns jedoch die Steinmännchen den richtigen Weg. Hinter uns waren sie dann hin und wieder aus Dankbarkeit an unsere Vorgänger auch um einen Stein höher. Immer wieder begleitete uns ein System von Kanälen, Wasserbecken, Zisternen, öffentlichen Waschtischen oder auch Staudämmen – notwendig für die Bewässerung der Terrassen und Versorgung der Bewohner, der herrschaftlichen Landgüter und ein Relikt der maurischen Besiedlung. Stellenweise führten die künstlichen Wasserläufe sogar durch begehbare Felsentunnel, welche Teil des Wanderweges waren. Die Landgüter verfügten in Ihrer Entstehungszeit über Ölmühlen. In den Wäldern qualmten im Mittelalter zahlreiche Kohlemeiler zur Herstellung von Holzkohle. Arme Köhler achteten sorgsam darauf, dass das Feuer immer gleichmäßig brannte. Dies führte seinerzeit zu einem starken Rückgang der heimischen Steineichen. Die Besitzer der Landgüter und reicheren Anwesen leben bis heute neben dem Tourismus vorwiegend vom Anbau von Oliven. Befanden wir uns auf den vom Wald umgebenen Ebenen, waren es der Duft von Thymian, der uns umgab oder in der Nähe von Sóller die wunderschönen Obstbäume – Pampelmuse, Kaki, Orangen, Mandarinen, Zitronen – die mächtig schwer an ihrer Last zu tragen hatten, aber leider komischerweise für uns immer unerreichbar blieben. Es ging entlang der blumenreichen Dörfer, die aus eben denselben einheimischen Materialen erbaut wurden, wie wir sie bereits auf und entlang unseres Weges kennengelernt haben.
Insgesamt betrug unsere Wegstrecke ca. 90 km. Wir absolvierten dabei etwa 3.700 Höhenmeter.
Anfangs hatte ich bereits erwähnt, dass unsere Rucksäcke so schwer nicht waren, alles in allem max. 6-9kg wogen und das trotz mitgeführten 3 Liter Trinkwasser. Denn Wasser war neben einem täglichen Brühwürfel das einzige, von dem wir uns auf unserer sechstägigen Tour ernährten. Es handelte sich um eine Fastentour, auf der der Körper die Möglichkeit bekam, sich von eingelagerten Giften und Fettpölsterchen zu befreien. Damit er dies auch tut und sich nicht des der Depots in den Muskeln bedient, kombiniert man solch eine „Kur“ mit einer permanenten körperlichen Anstrengung, eben einer Wanderung.
Glücklich und zufrieden und ein bisschen stolz auf uns beendeten wir unsere Tour und fuhren die letzten Kilometer mit dem Bus zurück nach Palma, wo uns der geniale unterirdische Busbahnhof in Empfang nahm.
Mario und Bärbel